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Alte und neue Pflichten des Freimaurers

Foto: Anton Ivanov Photo / stock.adobe.com

Die „Alten Pflichten“ sind für den größten Teil der Freimaurerei von besonderer Bedeutung. Was sagen uns die über 300 Jahre alten Texte und was gilt davon heute?

Von Hans-Hermann Höhmann

Erster Teil: Notwendiges zur Geschichte

Die Tatsache, dass bereits im Schottland des 17. Jahrhunderts Logen im späteren Sinne existierten, deutet darauf hin, dass der Freimaurerbund aus historischen Kontinuitäten hervorgegangen ist, und dass es insofern nur bedingt zutreffend ist, den meistgenannten Stichtag für den Übergang von der Vorgeschichte zur Geschichte der Freimaurerei, den 24. Juni 1717, als sich vier Londoner Logen zur ersten Großloge der Welt zusammenschlossen, als Gründungsdatum der modernen Freimaurerei herauszustellen.  

Dennoch war die Londoner Gründung von großer, ja ausschlaggebender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Freimaurerei. Denn mit der Großloge von London und Westminster begann die logenübergreifende Institutionalisierung und inhaltliche Ausrichtung der Freimaurerei, die die organisatorischen und konzeptionellen Grundlagen für die nun einsetzende dynamische Entwicklung der Freimaurerei in England und sehr bald auch über England hinaus geschaffen hat.  

Die Londoner Großloge gab sich 1723 ihre erste Verfassung, die nach ihrem Verfasser, dem aus Schottland stammenden presbyterianischen Geistlichen James Anderson, die „Andersonschen Konstitutionen“ genannt werden, konzeptionell aber sehr wesentlich auf den eigentlichen Vater der modernen Freimaurerei, John Theophilius Desaguliers (1683 — 1744) zurückgehen. Desaguliers wurde 1719 zum dritten Großmeister der Londoner Vereinigung gewählt. Er war französischer Emigrant und protestantischer Geistlicher, gehörte zum Freundeskreis von Isaac Newton, war als Naturphilosoph Mitglied der Londoner „Royal Society“ und führte dem Freimaurerbund mit dem Herzog John von Montague den ersten bedeutenden Vertreter des englischen Hochadels zu, der dann selbst 1721 Großmeister wurde. 

In Deutschland sind die „Andersonschen Konstitutionen“ als die „Alten Pflichten“ bekannt und richtungweisend geworden. Programmatisch ist vor allem die erste dieser Pflichten mit der Überschrift: „Von Gott und der Religion“:  

„Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Land zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen. Sie sollen also gute und redliche Männer sein, Männer von Ehre und Anstand, ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie sonst vertreten mögen. So wird die Freimaurerei zu einer Stätte der Einigung und zu einem Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst ständig fremd geblieben wären.“ 

Die „Alten Pflichten“ enthalten tatsächlich die bis in die Gegenwart gültigen Grundlagen der Freimaurerei: die moralische Verpflichtung des Maurers, den von ihm geforderten Habitus von Ehre und Anstand, den Verzicht auf trennende religiöse Festlegungen und die Praxis der Toleranz als Grundlage von Einigkeit und Freundschaft.  

In den folgenden drei Jahrhunderten haben die „Alten Pflichten“ die Entwicklung der modernen Freimaurerei wesentlich bestimmt. Sie haben bis in die Gegenwart immer wieder als zentrale Orientierung des Bundes gedient und sind gleichsam zur „Referenzurkunde“ der Freimaurerei geworden.  

Allerdings muss bei dieser Grundeinschätzung zweierlei einschränkend festgestellt werden: 

Erstens konnten die Konstitutionen Andersons im nun einsetzenden stürmischen Entwicklungsverlauf der Freimaurerei nicht alle Einzelheiten von Struktur und Arbeitsweise von Logen und Großlogen bestimmen. Sie hatten zwar Anstoß und Orientierung gegeben, aber viele Fragen offengelassen und mussten insofern stets präzisiert und ergänzt werden. 

Zweitens fanden die „Alten Pflichten“ nicht in allen Teilen der Weltfreimaurerei Anerkennung. Insbesondere in den altpreußisch-christlichen Großlogen Deutschlands, denen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert mehr als zwei Drittel der Freimaurer hierzulande angehörten, stießen sie im Zuge der sich ausbreitenden völkischen Orientierung auf eine anhaltende, ja zunehmende Ablehnung. 

Was die Unvollständigkeit der „Alten Pflichten“ betrifft, so kam es, vorwiegend im 19. und frühen 20. Jahrhundert, zu einer bezeichnenden Erweiterung. Man begann – hauptsächlich in England und Amerika – sog. „Alte Landmarken“ zu formulieren, die das Wesen der Freimaurerei, ihre Strukturen und Institutionen sowie die für erforderlich gehaltenen Verhaltensweisen der Mitglieder des Bundes in einzelnen, immer stärker ausdifferenzierten Vorschriften festlegten. Den Begriff „Landmarke“ selbst hatte man in den Andersonschen Konstitutionen gefunden. Anderson hatte diesen Begriff inhaltlich zwar nicht weiter bestimmt, doch mit seiner Erwähnung einen sehr brauchbaren Rahmen für die weitere Konkretisierung geboten.  

Die bis heute folgenreichsten dieser Landmarken sind – wenn auch unter anderem Namen – die sog. Basic Principles for Grandloge Recognition, mit denen die Vereinigte Großloge von England im Jahre 1929, mit leichten Veränderungen im Jahre 1989, die Prinzipien der regulären Freimaurerei festzulegen versuchte.  

Unter den deutschen Autoren des 19. Jahrhunderts, die versucht haben, das Wesen der Freimaurer in „Landmarken“ zu umreißen, ist vorrangig Gottfried Josef Gabriel Findel hervorzuheben, der als Vordenker der humanitären Freimaurerei in Deutschland viele inhaltliche und organisatorische Anstöße gegeben hat. Findel hat, orientiert an den „Alten Pflichten“ neun verpflichtende Anforderungen an die Freimaurer formuliert (Textwiedergabe folgt Freimaurer-Wiki):

1.

Die Verpflichtung auf die allgemeine Religion, in der alle Menschen übereinstimmen. 

2.

Die Aufhebung der Schranken der Geburt, der Rasse, Nationalität, Hautfarbe und der politischen Partei. 

3.

Die Angehörigkeit jedes Aufgenommenen zum ganzen Bunde, daher das Besuchsrecht, Gastrecht und Recht der Annahme.

4.

Die Bedingungen für die Aufnahmefähigkeit: geistige Freiheit, das nötige Maß von Bildung, reifes Alter, sittliche Grundsätze, tadelloser Lebenswandel und guter Ruf.

5.

Der Grundsatz, dass jeder Vorrang unter Maurern sich nur auf den wahren inneren Wert und eigenes Verdienst zu gründen habe sowie die Anerkennung der vollen Gleichheit unter Maurern.

6.

Die Verpflichtung, alle Streitigkeiten zwischen Personen innerhalb des Bundes auszutragen. 

7.

Das Gebot der Eintracht, der Brüderliebe sowie das Verbot Privatstreitigkeiten, insbesondere aber politische und religiöse Streitfragen, in die Loge hineinzutragen. 

8.

Die Verschwiegenheitspflicht, die Geheimhaltung der Erkennungszeichen und des Gebrauchtums. 

9.

Das Recht jedes Maurers, an der maurerischen Gesetzgebung teilzunehmen, das Wahlrecht und das Recht, in der Großloge vertreten zu sein.

Findel bringt damit Auffassungen zum Ausdruck, wie sie für die humanitären Großlogen in Deutschland im „langen 19. Jahrhundert“ kennzeichnend waren. 

Altpreußische Sonderwege 

Doch zurück zu den „Alten Pflichten“ und ihrer eingeschränkten Bedeutung für die deutsche Freimaurerei. 

Im Zusammenhang mit den zunehmenden Konflikten zwischen humanitärer und altpreußisch-christlicher Freimaurerei in den 1920er-Jahren kam es bei den Altpreußen immer wieder zu einer klaren Ablehnung der „Alten Pflichten“.  

Bereits Ende 1925 hatten die Großmeister der altpreußischen Großlogen, Habicht (GNML „3WK“), Müllendorf (Große Landesloge) und Zimmer (GLvP gen. „Zur Freundschaft“), auf einen Aufsatz der „Frankfurter Zeitung“ zum Thema „Die Freimaurerei und das neue Europa“ mit einer Zuschrift reagiert, die die Zeitung am 18. Dezember 1925 veröffentlichte und in der es – wiederum in der Absicht, sich gegenüber der humanitären Freimaurerei abzugrenzen, hieß:  

„In dem Aufsatze wird erwähnt, dass die drei Altpreussischen Grosslogen den Weg zu den ‚Alten Pflichten’ bald zurückfinden werden. Diese Prophezeihung beruht auf der irrigen Annahme, als hätten sich die christlichen Grosslogen jemals die Alten Pflichten, nämlich die Grundsätze zu eigen gemacht, die darauf abzielen, eine alle Rassen und alle Religionen umfassende internationale Weltfreimaurerei zu schaffen. Die drei Altpreussischen Grosslogen halten ein solches Ziel für eine Utopie, die weder Opfer an Zeit noch an Arbeit verdient; und sie sind der Meinung, dass eine praktische Verfolgung jenes phantastischen Gedankens eine Versündigung an unserem christlichen Glauben, unserem Deutschtum und unserem Vaterlande ist.“ 

Dabei darf nicht übersehen werden, dass im altpreußischen Sektor wiederum die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland eine Sonderstellung beanspruchte und diese auch immer wieder betonte. In einer Schrift „Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland in ihrem Werden und Wesen“, von der Großloge selbst im Jahre 1928 herausgegeben und somit als offizielle Verlautbarung ihrerseits zu verstehen, heißt es – nach Ablehnung des Gedankens „einer die Welt umfassenden Bruderkette“ – zur Stellung der Landesloge innerhalb der Freimaurerei: 

„Die altenglischen sogenannten ‚alten Pflichten‘ (old charges), die mit unbeirrbarer Sicherheit immer wieder als die gemeinsame Unterlage der gesamten Freimaurerei bezeichnet werden, haben zu keiner Zeit in unserem Orden Geltung gehabt. Sie finden sich in unseren Ordensbüchern nirgends. Wir lehnen sie völlig ab.“ 

Bis heute ist diese Position der Ordensfreimaurerei nicht auf eindeutige Weise revidiert worden. Im Gegenteil: Die in den 1920er Jahren innerhalb der Großen Landesloge dominierenden Gedanken über den besonderen Charakter der christlichen Freimaurerei und ihr Verhältnis zu den „Andersonschen Konstitutionen“ wurden von dem bis 2016 amtierenden Ordensmeister der Großen Landesloge, Joachim Klauss, mit begrüßenswerter Deutlichkeit in einem Artikel der „Zirkelkorrespondenz“ vom Februar 2013 auch für die Gegenwart reklamiert.  

Was demgegenüber die humanitäre Freimaurerei betrifft, so kehrte die Orientierung auf die „Alten Pflichten“ im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg klar und deutlich zurück. Großlogen nahmen auf sie Bezug und Logen fügten ihrem Namen den Zusatz „zu den Alten Pflichten“ an. Einen ersten, bezeichnenden Bezug im Logennamen auf die „Alten Pflichten“ hatte es freilich schon Mitte der 1920er-Jahre gegeben: Als die Große Loge von Preußen auch offiziell zum christlichen Prinzip zurückkehrt war, mussten auch die jüdischen Brüder der Kasseler Royal-York-Loge „Zur Eintracht und Standhaftigkeit“ ihre Bauhütte verlassen. Eine Reihe tolerant orientierter, nicht jüdischer Brüder verließ daraufhin unter Leitung des Kasseler Bauunternehmers, Stadtrats und Mitglieds des Provinziallandtags der Provinz Hessen-Nassau, Rudolf Friebe, mit den jüdischen Brüdern die Loge. Sie schlossen sich der Leipziger Loge „Apollo“ an, die – unter der Obhut der (damals noch humanitären) Großen Loge von Sachsen – die Deputationsloge „Herder zu den alten Pflichten“ in Kassel gründete, die dann bald als Mitgliedsloge der sächsischen Großloge selbstständig wurde.  

Zweiter Teil: Neue Pflichten für die Gegenwart

Doch je mehr das Bekenntnis zu den „Alten Pflichten“ in der humanitären Freimaurerei zur Selbstverständlichkeit wurde, desto intensiver begann man zu fragen: Was bei aller Bedeutung der freimaurerischen Wertetradition sind denn nun die unbedingt zu erfüllenden Gegenwartsaufgaben des Bundes, die gleichsam „Neuen Pflichten“ für Freimaurer und Freimaurerei? Was sind die Aufgaben unseres Bundes, wenn er überleben will in turbulenten Zeiten, wenn er ein Fundament begründen und erhalten will, auf dem er sicher stehen kann. Die Diskussion hierzu hat eingesetzt. Hervorheben möchte ich vor allem Helmut Reinalters Entwurf für „Neue Pflichten“ vom Juni 2021, nachzulesen in „Freimaurer-Wiki“. 

Für mich haben die gegenwärtigen Pflichten des Freimaurers vor allem drei miteinander verbundene Aspekte. Sie treten in Erscheinung als Pflichten gegenüber der eigenen Person und gegenüber den Mitmenschen im persönlichen Umfeld, als Pflichten gegenüber Loge und Freimaurerbund und als Pflichten gegenüber der Gesellschaft. 

Gehen wir, auf bisherigen Gedanken dazu aufbauend, diese Pflichten durch. 

Natürlich beginnt alles mit der Arbeit am Menschen. Denn wenn der Meister danach fragt, welche Bausteine wir zum Tempelbau der Humanität benötigen, so erhält er im Ritual meiner Loge die Antwort: „Menschen, Menschen immer neue Menschen.“ Und das bedeutet nicht primär neue Mitglieder, sondern vor allem Brüder und Schwestern, die im Sinne einer moralisch orientierten Ausrichtung innerlich neu werden, die bestimmt von Verantwortungsethik mit „Leidenschaft und Augenmaß“ (so Max Weber) am Rauen Stein der eigenen Person arbeiten und sich darum bemühen, einen freimaurerischen Habitus zu entwickeln. Freimaurerischer Habitus meint ein Bündel menschlicher Eigenschaften, mit dem wir das assoziieren, was wir für den Freimaurer als wesentlich erachten.  

Insbesondere gehören dazu: 

die Fähigkeit zu Selbsterkenntnis, Selbstkritik und Demut;

der Verzicht auf Selbstinszenierung und ungezügelten Narzissmus; 

die Abkehr von Rassismus, Nationalismus und völkischem Denken; 

das Streben nach Toleranz, Gelassenheit, Mitmenschlichkeit, Interesse füreinander, Offenheit und Gesprächsfähigkeit;

die dynamische Balance zwischen der Fähigkeit, Konflikte auszutragen und der Bereitschaft, sie durch Versöhnung zu überwinden;

das tätige Sich-Einsetzen für andere im Sinne von Hilfsbereitschaft und wirklich spürbarer Anteilnahme.

Ein so beschaffener freimaurerischer Habitus ist unverzichtbar. Alles andere baut darauf auf. 

Sprechen wir zweitens von den Pflichten gegenüber Loge und Freimaurerei. 

Die Loge ist das Zentrum der freimaurerischen Praxis. Eine in sozialer, ethisch-moralischer und ritueller Hinsicht harmonisch und kreativ wirkende Loge ist unverzichtbare Grundvoraussetzung einer gelingenden Freimaurerei. Deshalb ist das Bemühen um eine wirksame „Logenbaukunst“ für die Loge eine conditio sine qua non.  

Alle Formen der Logenpraxis gehören zusammen, wenn das Logenleben interessant und attraktiv sein soll. Erforderlich ist aber auch eine wirksame, auf Integration und Förderung von Freundschaft angelegte Kultur der Bürgschaftsübernahme. Gerade bei der heutzutage dominierenden Rekrutierung neuer Mitglieder über das Internet, bedarf es verantwortungsbewusster Bürgen, die sich schon eine Zeitlang vor der Aufnahme um den Suchenden kümmern, damit die Bruderschaft der Loge den Habitus des Suchenden rechtzeitig gründlich kennenlernt.  

Zu unseren Pflichten gegenüber der Freimaurerei gehört auch das Nachdenken über Konzepte und Inhalte: Was bedeutet es, in der Tradition des Humanismus und der Aufklärung zu stehen?  

Ich habe einmal sieben Grundsätze dafür formuliert und thesenhaft wie folgt beschrieben: 

  

 

 

1.

Leben, Wohlergehen, Freiheit und Glück jedes einzelnen Menschen sind Ziel und Maßstab des individuellen wie des gesellschaftlichen Handelns. 

2.

Anerkennung der Menschenwürde erfordert Toleranz, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sowie den unbedingten Verzicht auf Rassismus und völkisches Denken. 

3.

Ausrichtung von Denken und Handeln am Maßstab der Redlichkeit, Vernunft und Wahrheitssuche ist Grundelement jeder menschlichen Orientierung.

4.

Förderung der schöpferischen Kräfte des Menschen ist Grundlage dafür, dass die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und an den vielfältigen Baustellen in der Gesellschaft vorangebracht werden kann. 

5.

Friede mit der Natur und nachhaltiger Umgang mit ihren Ressourcen sind Bedingungen menschlichen Daseins in industriegesellschaftlichen Verhältnissen. 

6.

Wertschätzung von Reichtum und Vielfalt der Kulturen der Welt und Orientierung an der alten freimaurerischen Hoffnung, „dass das menschliche Geschlecht eine Bruderkette werde“ sind Grundlagen einer stabilen internationalen Friedensordnung. 

7.

Und schließlich: Auch heute hat das Prinzip Aufklärung zu gelten, verbunden freilich mit der Einsicht, dass nur eine reflektierte Vernunft und eine selbst-kritische Aufklärung als tragfähige Grundlagen menschlicher Lebensführung und sozialer Gestaltungsprozesse tauglich sind. Wissen und Vernunft dürfen nicht rein instrumentell zum Wirken kommen, sie sind mit ethischer Verantwortung zu verbinden. 

Diese sieben Orientierungen, die mehr pragmatischen als systematischen Charakter besitzen, die den Charakter von Themen haben für eigene diskursive Variationen, bestimmen nun freilich nur den Rahmen für freimaurerisches Denken und Handeln. Diesen Rahmen gilt es im Diskurs der Brüder zu füllen, und auch hierzu mag das von Lessing empfohlene „Laut denken mit dem Freunde“ für den Maurer von heute eine vorzügliche Methode sein. 

Von zentraler Bedeutung ist auch die stimmige Einordnung des Rituals in die Freimaurerei. 

Die Logen der Freimaurer bieten einen auf Symbole und Rituale gegründeten spirituellen Wahrnehmungs-, Handlungs- und Erfahrungsraum, in dem die Ziele und Ideen des Freimaurerbundes im Bewusstsein und im Habitus der Brüder verankert werden. Das Ritual ist keineswegs die ganze Freimaurerei, doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden mit humanitärer Einstellung unterscheidbar macht.  

Das Ritual lässt die Werte des Bundes, die wechselseitigen Beziehungen der Brüder sowie die Chancen für die eigene innere Entwicklung sinnlich und emotional erfahren.  

Das Ritual öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit. Dadurch vermittelt es nicht nur Denkanstöße, sondern es wird auch zum Medium der Selbsterfahrung und der Selbstentwicklung.  

Allerdings muss uns auch dieses klar sein: Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter, es vermittelt keine Heilslehren, und es hat keine magische Qualität. Zuletzt und ganz deutlich: Das Ritual begründet keine Religion, und es sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen. Das Symbol des „Großen Baumeisters“ ist das integrierende Sinn- und Wertsymbol des Bundes, nicht weniger, aber auch nicht mehr!  

Beim Wirken in der Gesellschaft schließlich gibt es eine doppelte Verpflichtung, die des einzelnen Freimaurers und die der Freimaurerei als Gruppe.  

Einfach im Prinzip, wenn auch mühsam in der Durchführung, ist die Sache für die einzelnen Mitglieder des Bundes. Der einzelne Freimaurer kann und soll sich engagieren, wo und wie es seiner an freimaurerischen Wertvorstellungen orientierten konkreten sozialen und politischen Philosophie entspricht. Denn wie immer wir uns dem Sittengesetz, dem Leben, dem Frieden, der Gerechtigkeit und der Toleranz verpflichtet fühlen, wir unterscheiden uns in der konkreten Festlegung. Sich festlegen, parteiisch sein, kann folglich in vielen politischen Bereichen immer nur der einzelne Freimaurer. Das Freimaurerische dabei ist dann das Ethos, das er mitbringt, die Fähigkeit zum Dialog, das Wissen um die Perspektivität der individuellen Überzeugung, die Pflicht zu wohl gemessenem, proportioniertem Denken und Handeln, die Bereitschaft, sich immer wieder aus eigenen Vorurteilen herauszudenken.  

Was bleibt der Freimaurerei als Gruppe, was bleibt etwa einer Loge oder der Großloge?  

Es bleibt zunächst die gemeinsame Aktion da, wo alle Brüder übereinstimmen, weil die Werte unseres Bundes so gründlich in Frage gestellt werden, dass es keinen „Bund der Ungleichgesinnten“ mehr geben darf, was vor allem für den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und politischen Extremismus und andererseits für den Einsatz für Demokratie, „Offene Gesellschaft“ und umfassende Toleranz gilt. 

Es bleibt weiter das Forum der Loge für das Gespräch der Brüder über Probleme der Gesellschaft, über ethische und soziale Fragen. Es bleibt das Gespräch mit der Öffentlichkeit. Insbesondere kann und soll sich die lebendige Loge einbringen in das Leben ihrer Stadt. Sie kann zum Forum toleranter Auseinandersetzung um die Lösung örtlicher Probleme werden. Sie kann Plattform sein für das Benennen menschlicher Missstände und für die Suche nach konstruktiven Ansätzen, diese Missstände zu überwinden.  

Logen können sich als Gruppen engagierter Bürger aber auch selbst manch brennender sozialer Probleme annehmen. Die Zahl der Aufgaben ist Legion. Eine neue und akute ist die Eingliederung der zu uns kommenden und bei uns bleibenden Migranten aus anderen Ländern. Ehrenamtliches Engagement in der Gesellschaft ist nicht nur möglich, sondern auch vonnöten. 

Insgesamt und zum Schluss:  

Ja, es gibt sie, die „Neuen Pflichten“ für Freimaurer und Freimaurerei. Lasst uns ihre Dimensionen erarbeiten, ihnen in unserer Lebenspraxis folgen und der Gesellschaft auf ihrer Grundlage deutlich machen, was Freimaurer sind und was sie wollen! 

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