Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Egoismus

Empfehlen

Foto: © be free / Adobe Stock

Es ist leider überall zu hören: Niemand kümmert oder sorgt sich um seinen Nächsten. Das Ehrenamt ist auf einem absteigenden Ast, Vereine beklagen Mitgliederschwund. Jeder denkt nur noch an sich und sein Wohlergehen. Der Solidargemeinschaft droht das Aus.

Ein Kommentar von Alexander Kring

In der heutigen Gesellschaft ist das Phänomen Egoismus weit verbreitet. Zu viele Menschen suchen nur ihren eigenen Vorteil, im Beruf genauso wie im Privatleben. Da werden Kollegen angeschwärzt, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, Gerüchte verbreitet, oder mit dem SUV über zwei Parkplätze geparkt, damit sich bloß niemand danebenstellt und eine Schramme im Lack des teuren Fahrzeugs hinterlässt und man selbst nach dem Einkauf besser aus der Lücke kommt. Aber war das schon immer so? Waren die Menschen früher auch schon so ich-bezogen? Aus Erzählungen meiner Großeltern weiß ich, dass das nicht so war. Früher wurden Freundschaft, Rücksicht und Nachbarschaft noch großgeschrieben. Besonders in den Kriegs- und Nachkriegsjahren. Man half sich beim Bau des neuen Hauses, packte bei der Feldarbeit mit an und achtete aufeinander.

Gibt es denn überhaupt noch jemanden, der nicht egoistisch handelt? Viele sind sich heute selbst am nächsten. Die wenigsten Bürger kümmern und sorgen sich um einander. Besonders ausgeprägt scheint diese Anonymität in großen Wohnanlagen zu sein, obwohl die Menschengerade dort Tür an Tür wohnen. Wie oft ist zum Beispiel zu lesen, dass Menschen in ihren Wohnungen gestorben sind, ohne dass es jemand bemerkt hat. Erst wenn der Geruch so stark wird, dass er in der ganzen Mietskaserne wahrnehmbar ist, ruft eventuell jemand den Hausmeister, aber nur um sich über den Gestank zu beschweren. Wir alle wollen doch für uns und unsere Familien nur das Beste, oder etwa nicht? Ein schönes Haus, einen gut bezahlten Beruf, die besten Plätze im Kino oder Konzert. Und dafür sind wir bereit, zum Teil hohe Kosten auf uns zu nehmen. Geld ist nämlich eine gute und gleichzeitig wichtige Voraussetzung für egoistisches Handeln.

Was aber haben andere Menschen davon, wenn wir uns jeden Luxus gönnen? Ganz einfach: nichts. Wir können Freunde und Verwandte zwar in unser schönes großes Haus einladen und sie mit den besten Speisen verwöhnen, oder für sie ebenfalls Tickets in der besten Kategorie erwerben. Aber gibt man sein Geld gerne für andere aus? Mir wurde von klein auf beigebracht, dass man sein Geld zusammenhält und nicht verschwenderisch lebt. An und für sich eine gute Eigenschaft, mit der man niemandem schadet. Aber Geld ausgeben ist nicht gleich Geld investieren. So macht es für mich persönlich einen Himmel-großen Unterschied, ob ich mein Geld für irgendeinen Blödsinn ausgeben soll, oder ob mit dem Betrag ein anderer, außer der Verkäufer oder der Hersteller einer Ware, einen Vorteil davon hat. Gemeint ist damit, mit seinem Geld anderen zu helfen, in sie und ihr Leben zu investieren.

Spenden heißt das Zauberwort. Eine gute Möglichkeit dazu bietet sich regelmäßig in Form des “Säckels der Witwe” am Ende jeder Tempelarbeit. Denn es gibt genug Menschen auf der Welt, denen es nicht mal ansatzweise so gut geht, wie uns. Die andere Seite ist die praktische Hilfe. Einen x-beliebigen Betrag spenden ist natürlich schön bequem, aber viele unserer Mitmenschen brauchen kein Geld, sondern Hilfe im Alltag. Jahre lang haben meine Frau und ich unseren kinderlosen Nachbarn geholfen, wo es nur ging: beim Holz hacken, bei Problemen im Haushalt, oder einfach die Nachbarin mal zu ihrer Schwester auf den Westerwald und später ins Pflegeheim zu ihrem Mann fahren. Nächstenliebe kann sehr vielseitig sein. Und gerade Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld sollte unsere Hilfe zugutekommen. Alte und allein lebende Menschen sind für kleine Handreichungen immer dankbar.Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wir Freimaurer sind also selbst schuld an dem Misstrauen, das uns entgegengebracht wird, weil wir unser Wissen nicht mit allen teilen?

Aber nicht nur mit Geld und aktiver Hilfe verhält es sich so. Auch Wissen sollte geteilt werden. Wir alle kennen den Satz „Wissen ist Macht“. Wenn ich also mein Wissen für mich behalte, bin ich meinen Konkurrenten immer eine Nasenlänge voraus. Warum sollte ich meine Kenntnisse auch teilen? Die anderen könnten doch genauso Bücher lesen, Fortbildungen besuchen, oder sich bei irgendwem befragen. Selbst hat man es schließlich genauso gemacht. So denken leider viele. Gebe ich mein Wissen aber weiter, verteilt sich beispielsweise die Arbeit im Büro auf mehrere Schultern und ich werde entlastet. Ist das dann auch schon wieder egoistisch? Aber manche Dinge kann und darf man eben vielleicht auch nicht so einfach verraten und weitererzählen. Man denke nur an die „Top Secret“ Stempel auf geheimen Akten in Agentenfilmen, oder, ein Beispiel aus dem Alltag, an vertrauliche Dokumente im Beruf. In der Loge erzählen wir uns hin und wieder auch schon mal Dinge „unter der Rose“, womit gemeint ist, dass das Gesagte nicht an Dritte weitergegeben werden soll. Ebenso verhält es sich mit dem freimaurerischen Arkanum. Dieses Geheimnis ist nach wie vor die Grundlage der abstrusesten Verschwörungstheorien und bringt unserer Bruderschaft viel Misstrauen ein. Wir Freimaurer sind also selbst schuld an dem Misstrauen, das uns entgegengebracht wird, weil wir unser Wissen nicht mit allen teilen? Gleichzeitig schützt uns eben dieses freimaurerische Geheimnis und unsere Diskretion auch ein Stück weit, da nur diese beiden Eigenschaften die Grundlage für das Vertrauen aller Brüder sein können. Die Menschen hassen Geheimnisse, weil sie sich dadurch hintergangen und übervorteilt fühlen. Es ist eben ein ungutes Gefühl, wenn man nicht weiß, was andere machen, über einen denken und ob man dadurch eventuell einen Nachteil haben könnte. Das gilt übrigens auch für die Freimaurerei und ihre unterschiedlichen Grade.

Höflichkeit, Aufgeschlossenheit, Hilfsbereitschaft, Toleranz und Nächstenliebe sollen unser Aushängeschild und Markenzeichen sein.

Auf der Webseite der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland wird Freimaurerei im übertragenen Sinn als Lebensschule beschrieben. Charakterbildung und -festigung spielen dabei eine entscheidende Rolle. Gute Männer sollen durch ein tugendhaftes Leben und Wirken noch besser werden. Wir hören in jeder rituellen Zusammenkunft aufs Neue, dass wir uns auf der Winkelwaage treffen sollen, was bedeutet, sein Gegenüber zu respektieren und als gleichwertig zu betrachten. Auch sollen wir unsere Zeit mit Maß einteilen und genügsam sein. Der vierundzwanzig-zöllige Maßstab steht uns dafür als Werkzeug zur Seite. Wir lernen dadurch, wie man sich im Alltag am besten bewährt und mit seinen Mitmenschen umgehen sollte. Aber dieses Wissen, welches uns hier in unserer guten Loge hinter verschlossenen Türen, isoliert von der Außenwelt, vermittelt wird, können und dürfen wir profanen Außenstehenden nicht so ohne weiteres weitersagen. Das würde gegen unser Verschwiegenheitsgelübde verstoßen. Es ist also ein Dilemma. Auf der einen Seite verstehen wir uns als humanitären Bruderbund, der sich den Menschen gegenüber verpflichtet, auf der anderen Seite dürfen wir unser Wissen mit anderen aber nicht teilen. Es sei denn, indirekt.

Ist die Freimaurerei also egoistisch? Ich sage nein! Egoismus übersetzt sich ins Deutsche mit Eigennützigkeit oder Eigeninteresse. Und das ist die Freimaurerei sicherlich nicht. Ganz im Gegenteil. In Bruder Mozarts „Zauberflöte“ heißt es in der Arie des Sarastro unter anderem: „In diesen heil’gen Mauern, wo Mensch den Menschen liebt…“. Da gibt es wohl nichts mehr zu ergänzen. Meine Kinder haben mich zu Beginn meiner Logenzugehörigkeit einmal gefragt, was denn der Sinn der Freimaurerei sei. Ich habe geantwortet, anderen Menschen ein gutes Vorbild zu sein und so zu handeln, dass sich andere gerne an einen zurückerinnern. Um diesen Vorsatz umzusetzen, muss man sicherlich nicht Mitglied einer Freimaurerloge sein. Es ist allerdings eine große Hilfe, so viele Brüder an seiner Seite zu wissen, die dabei unterstützend mitwirken. Bereits bei meiner Aufnahme ist mir ein Part am Ende des Rituals besonders aufgefallen: „Geht nun zurück in die Welt, meine Brüder, und bewährt Euch als Freimaurer! Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam auf Euch selbst!“ Diese Sätze haben mich tief beeindruckt und drücken genau das alles aus, was Freimaurerei ausmacht. Brüderlichkeit und Humanität, sprich Menschenliebe.

Aber wie lässt sich das im Alltag umsetzen? Wir müssen anderen gar nicht jede Kleinigkeit über die freimaurerische Lehre erzählen, das Ritual erläutern oder alle Symbolbedeutungen aufschlüsseln. Viele würden es wahrscheinlich schlichtweg auch nicht verstehen. Wir sollten aber unbedingt immer mit gutem Beispiel vorangehen. Höflichkeit, Aufgeschlossenheit, Hilfsbereitschaft, Toleranz und Nächstenliebe sollen unser Aushängeschild und Markenzeichen sein. Das bedeutet aber nicht, dass wir nun jedem vermeintlich armen oder hilfsbedürftigen Menschen sofort helfend zur Seite springen müssen. Das geht auch gar nicht. Wir können schließlich nicht die ganze Welt retten. Aber in unserem privaten und beruflichen Umfeld können wir uns als Freimaurer sehr wohl hervorragend bewähren. Und zwar am besten durch unser vorbildliches Verhalten, zu welchem wir als Männer von gutem Ruf angehalten sind. Es gelingt sicherlich nicht immer, in jeder noch so stressigen Situation die Ruhe zu bewahren, oder einem Freund selbst beim vierten Umzug in kurzer Zeit zu helfen. Aber das Leben besteht nicht nur aus Nehmen, sondern auch aus Geben. Lasst uns also ein Leuchtturm im Dunkel des Lebens sein und das Licht der Freimaurerei in Form von Humanität, Toleranz und Nächstenliebe in die Welt tragen! Nicht zwingend mit großen Taten, sondern einfach als gutes Vorbild für alle anderen.

Kommentare stellen die Meinung des Verfassers dar, nicht zwingend die der Großloge oder der Mehrheit der Bruderschaft. Sie sollen die Vielfalt der Anschauungen in der humanitären Freimaurerei darstellen.

Wenn Sie eine andere Meinung haben und vertreten möchten, senden Sie uns Ihren Beitrag.

Leserbriefe

Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wenn Sie einen Leserbrief schreiben wollen, verwenden Sie das Formular “Kontakt zur Redaktion”. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Wie behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.