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Freimaurers Werkzeugkasten – Teil 3

© anncapictures – pixabay.com

Von Hajo J. Frerichs


Die Freimaurerei verfügt über eine Vielzahl von Symbolen. Sie wurden übernommen aus der christlich-abendländischen Tradition, aus den alten Mysterien- und Lichtkulten und vor allem aus dem Bauhandwerk. Daher stammen jene Symbole, die wir für den Bau des „Tempels der Humanität“ benötigen. Es sind die Werkzeuge, mit denen wir an uns selbst, an unserem Rauen Stein der eigenen Persönlichkeit arbeiten. Wir können sie also — um es einmal in eine profane Sprache zu übersetzen — zur Prüfung und Korrektur unserer eigenen Lebensführung einsetzen.

Diese kleine Reihe in der „Humanität“ soll unsere Werkzeuge in kurzen Zeichnungen vorstellen und ihre Anwendung erklären.

Was finden wir im Ritual?

Der Spitzhammer gehört zu den 24 auf dem Lehrlingsteppich dargestellten freimaurerischen Bildsymbolen. Als konkretes Symbol liegt er in den Lehrlingslogen, den Tempelarbeiten im 1. Grad, auf dem Rauen Stein. Im Ritualtext heißt es beim Schließen der Loge:

Meister: Woran arbeiten die Lehrlinge?
2. Aufseher: Am Rauen Stein.
Meister: Welches sind ihre Werkzeuge?
2. Aufseher: Der Spitzhammer und der 24-zöllige Maßstab.
Meister: Wozu dienen sie?
2. Aufseher: Der Spitzhammer, um die Ecken der Unvollkommenheit abzuschlagen, der Maßstab, um bei dieser Arbeit die Zeit mit Weisheit einzuteilen.
Welche Bedeutung hat das Symbol?

In der Erklärung des Arbeitsteppichs im Ritualbuch lesen wir:

„Der raue, unbehauene Stein, der an der Säule zur Linken liegt, ist das Sinnbild des Lehrlings. Mit dem Spitzhammer müssen seine Ecken und Kanten abgeschlagen werden. Die naturhaften Unebenheiten des Steins weisen auf die Unvollkommenheit des Verstandes und des Herzens vor Beginn dieser Arbeit hin. So wie der Stein in die rechte Form gebracht und geglättet werden muss, damit er zum Bauen taugt, so muss auch der aufgenommene Lehrling an seiner Vervollkommnung arbeiten, mit Eifer und Beharrlichkeit. Es wird nicht gefordert, alle Steine in gleicher Form zu behauen, sondern vielmehr unter Beachtung ihrer Eigenart so, dass sie sich winkelrecht in den Bau einfügen lassen. Die Unterschiede des Materials müssen berücksichtigt werden. Der Tempelbau der Menschheit bedarf der Steine in mannigfaltigen Formen.“

Zerstörung und Wiederaufbau

Der Hammer ist vermutlich das älteste Werkzeug der Menschheitsgeschichte. Seine Urform ist der in die Hand genommene Stein. Seit menschlichen Urzeiten ist der Hammer das Symbol des Zerstörens, aber auch des Neuerschaffens aus dem Material des Vorherigen. Der Hammer als Doppelsymbol des Zerstörens und des gleichzeitigen Neuerschaffens wurde in den frühen Kulturen verschiedenen Göttern zugeordnet. Bei den Germanen war der Hammer das Attribut des Gottes Thor (hammerschleudernder, Donner und Blitz erzeugender Zerstörungsgott; aber auch Segen schaffender Gott bei Hochzeiten, bei Schwangerschaften, beim Hausbau oder bei der Aussaat). Auf diese Doppelsymbolik (Verbindung polarer Gegensätze) wird in Lexikon- oder Fachartikeln zum Thema „Freimaurerhammer“ nur selten eingegangen.

Ebenso selten wird berücksichtigt, dass die aus der operativen Maurerei übernommenen Hämmer auf unterschiedlichen Konstruktionen basieren, verschiedene Funktionen haben und damit auch unterschiedliche symbolische Bedeutung besitzen. Auf den Arbeitstafeln und Arbeitsteppichen, die nach der Einführung des Gesellengrades verwendet wurden, finden wir drei Arten von Hämmern abgebildet: den Spitzhammer (Lehrlingshammer), den Flächenspitzhammer (Gesellenhammer) und den Schlegel oder den Doppelhammer (Meisterhammer). Auf den heutigen Arbeitsteppichen sind in der Regel nur noch zwei Hammerabbildungen vorhanden (Lehrlingshammer und Meisterhammer). Um in der spekulativen Maurerei das Vergessen von Symbolen oder auch die Vermischungen von unterschiedlichen Symbolen zu vermeiden, ist eine Betrachtung aller von den operativen Maurern genutzten und von uns spekulativen Maurern übernommenen symbolischen Hammerwerkzeuge im Hinblick auf die Konstruktionsgesetze des Großen Baumeisters aller Welten (GBaW) sinnvoll.

„Konstruktionsgesetze“

Lehrlingshammer: Die Grundkonstruktion des Spitzhammers („Tau“) basiert auf den ersten drei Konstruktionsdimensionen des GBaW (Punkt, Strecke, Fläche). Zur Erstellung der beiden Strecken (Hammerkopf, Hammergriff) werden jeweils zwei Punkte miteinander verbunden. Zur Konstruktion eines dreidimensionalen Hammers wird die vierte Dimension des GBaW mit einbezogen (Raum). Hierdurch entsteht der konkrete Spitzhammer mit einem Hammergriff, dem rechtwinklig angeordneten Hammerkörper und an deren Enden jeweils eine Schlagspitze (Schlagpunkte).

Gesellenhammer: Er basiert auf der Grundkonstruktion des Lehrlingshammers, unterscheidet sich jedoch in der räumlichen Konstruktion. Der Gesellenhammer wird aus drei Räumen (Griff, Hammerkopf, Schlegelspitze), einer Fläche (Schlichtungsfläche) und einem Punkt (Schlagspitze) konstruiert. Die Arbeit des Gesellen besteht in einer Doppelaufgabe: Er soll, wie der Lehrling, unharmonische Elemente mit Hilfe der Hammerspitze beseitigen (Punktbearbeitung), aber vor allem mit der Hammerfläche die bereits fertiggestellten Steine „nachbearbeiten“, um sie als brauchbare Steine durch das Auftragen des Mörtels mit der Kelle zu glätten und zu verbinden (Flächen- und Raumbearbeitung).

Meisterhammer: Er basiert ebenfalls auf der Grundkonstruktion des Lehrlingshammers. Als räumliches Werkzeug wird er aus vier Teilräumen konstruiert (Griff, Hammerkopf, zwei Kugeln oder zwei Halbkugeln). Die meisten heutigen Meisterhämmer deuten jedoch auf den beiden Schlagflächen lediglich die Rundung der als verbundene polare Gegensätze interpretierbaren Kugeln an. Die Symbolik der Kugelflächen der Meisterhämmer bezieht sich auf die Macht, Gegensätze durch Zerstörung und Neuschaffung zu verbinden. Der Hammerschlag, als vernehmbares akustisches Ereignis im Tempel, kann uns Freimaurern als das bedeutsamste Symbol für das „Gesetz der Zeit“ des GBaW dienen. So wie das Universum die Folge eines Hammerschlages ist (Entstehungsimpulsenergie, Urknall), so ist auch das irdische Leben vom GBaW als ein „System permanenter Hammerschläge“ konstruiert. So wie der Klang des Meisterhammers entsteht, anschwillt, sein Maximum erreicht, ausklingt und nicht mehr existent erscheint, so erleben wir nicht nur die Sonnenstände, sondern so laufen auch alle unsere körperlichen, geistigen und sozialen Realitäten lebenslang ab.

„Gesetz der Zeit“: Das Gesetz besagt, dass alle vom GBaW konstruierten und von ihm bei der Erschaffung der Welt realisierten Elemente dem permanenten Wandel im Zeitstrom zwischen vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Existenz unterworfen sind. Kein Punkt, keine Strecke, keine Fläche, kein Raum und somit auch kein Lebewesen existiert im irdischen Dasein dauerhaft in derselben Form. Alle Realitäten befinden sich im Prozess des ewigen Wandels, also in der ewigen gleichzeitigen Zerstörung und Neuerschaffung. Jede menschliche Handlung, jeder Gedanke, jeder Atemzug, jeder Herzschlag ist durch das vom GBaW geschaffene „Gesetz der Zeit“ ein „permanentes Hinübergleiten“ in eine zukünftige Existenz. Die nach den Konstruktionsgesetzen des GBaW gestalteten Werkzeuge der operativen Maurer dienen uns spekulativen Freimaurern einerseits als Messwerkzeuge. Unsere Aufgabe bei ihrer Verwendung besteht in der Feststellung von Abweichungen von einem ethischen und moralischen Idealzustand des eigenen Ich (24-zölliger Maßstab, Winkelwaage, Senkblei). Die freimaurerischen Bearbeitungswerkzeuge dienen dazu, durch Zerstörung und Neuschaffung Abweichungen zu beseitigen (Lehrlings-, Gesellen-, Meisterhammer). Als Planungswerkzeuge dienen sie dazu, begründete Entscheidungen über die zukünftige Gestaltung des eigenen Lebens zu fällen (Musivisches Pflaster, Reißbrett). Alle Werkzeuge und alle Arbeiten in den verschiedenen Maurergraden sind durch das Prinzip der zerstörenden, aber auch der erschaffenden Zeit auf das Erreichen eines idealen Zustandes in der Zukunft ausgerichtet.

Bei der Arbeit des Lehrlings steht zunächst der Aspekt des Zerstörens durch den Spitzhammer im Vordergrund. Er soll in seinem Denken und Verhalten Unebenheiten, Ecken und Kanten erkennen, um sie mit dem Spitzhammer Punkt für Punkt zu entfernen. Die Aufgabe des Messens von Abweichungen als Entscheidungsvoraussetzung zur Bearbeitung der einzelnen vertikalen Flächen (Lehrlingsauftrag) und der horizontalen Flächen (Gesellenauftrag) hat das Ziel, sich als Meister in seinem gefühlsmäßig, geistig und seelisch gesteuerten Verhalten an einem idealen Körper, dem kubischen Stein, orientieren zu können.

Die Symbolik des Hammers soll den Freimaurern aller Grade immer wieder das vom GBaW dem irdischen Leben zugrunde gelegten Gesetz der Zeit verdeutlichen: Ewiger Wandel, bis das Lebensziel, ein harmonischer irdischer Zustand, erreicht ist. Als idealen freimaurerischen Endzustand lässt sich der Übergang in einen raum- und zeitlosen „Tempel des unendlichen Geistes“ im „Ewigen Osten“ vorstellen.

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 6-2022 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.