Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Mafia-Experte schreibt über “mächtigsten Geheimbund der Welt”

Empfehlen

Der erste Eindruck, als der Verlag das Buch angekündigte, war: "Schon wieder so ein reißerisches Enthüllungsbuch!" Aber der erste Eindruck kann täuschen. Es klingt schlimmer als es ist und das Buch ist besser, als man befürchten könnte.

Der Autor John Dickie ist in der Tat Mafiaexperte, und sicherlich musste dies aus zwei Gründen in die Verlagsmitteilung. Erstens: die Schlagworte Freimaurer und Mafia sind allein schon verkaufsträchtig und in der Kombination erst recht. Weitere Schlüsselworte wie Pyramide, Dollarschein, Französische Revolution, Jack the Ripper und Weltherrschaft dürfen in der Ankündigung nicht fehlen, um in der Aufmerksamkeit der Leserschaft und den Platzierungen der Suchmaschinen ganz nach vorne zu kommen. Zweitens: Dickie nannte in einem Radiointerview die Mafia “Freimaurerei für Kriminelle”. Das brachte ihm die Einladung einer Freimaurerloge zu einem Gespräch ein und war der Anfang einer langen Reise auf den Spuren der Freimaurer von Washington über New York nach Rom, Neapel, Wien und Paris. Darüber wurde der Historiker John Dickie, der am University College in London tätig ist, auch zum Freimaurer-Kenner. Das Buch, das schon einmal vorweg, ist durchaus empfehlenswert für jeden, der sich intensiver mit der Geschichte und vor allen Dingen der aktuellen Situation der Bruderschaft weltweit auseinandersetzen möchte.

Natürlich “deckt Dickie auch auf”, das ist verkaufsfördernd, gleich zu Beginn macht er sich über Erkennungszeichen und Begrifflichkeiten der Freimaurerei her, schildert schaurige Rituale. Aber gemach: Dickie schildert offenbar die angelsächsische Freimaurerei – bei uns jedenfalls sind die geschilderten Vorgänge eher nicht gebräuchlich -, zudem bezieht er sich vermutlich auf Beschreibungen, die er irgendwo gelesen hat und letztendlich ist sein Pulver schnell verschossen. Es ist auch gar nicht sein Anliegen, seine Aufgabe ist die des Historikers, und da ist er sachlich und mitunter freundlich, auch wenn die Realität nicht immer Anlass dazu gibt.

Wohin es die Freimaurer auch verschlug, ihr Einfluss wirkte auf die Gesamtgesellschaft. [...] Die Aktivitäten, die sich im Geheimen abspielten, hinter verschlossenen Logentüren, haben gerade jenen Werten zum Durchbruch verholfen, die wir mit unserem modernen öffentlichen Leben assoziieren. Die Freimaurer streben seit langem nach religiöser und ethnischer Toleranz, nach Demokratie, Weltoffenheit und Gleichheit vor dem Gesetz.

Selbstverständlich beschäftigt sich der Autor umfänglich mit der Gründungsgeschichte der Freimaurerei und auch mit der Vorgeschichte, die zur sogenannten “modernen” Freimaurerei geführt hat, wie sie durch den Zusammenschluss mehrerer bereits existierender Logen zur ersten Großloge im Jahre 1717 entstand. Anders als Heerscharen von freimaurerischen Autoren, die liebgewonnene Mythen und Legenden mit mitunter recht unterschiedlichen Ambitionen zu teilweise fragwürdigen und wenig glaubhaften “Forschungsergebnissen” zusammendichteten, geht Dickie den Weg des unvoreingenommenen Wissenschaftlers. Er erforscht und schildert die geschichtliche Entwicklung und kommt in etlichen Bereichen zu anderen Schlussfolgerungen als die freimaurerische Geschichtsschreibung. Er räumt mit der romantisierenden Legende auf, dass die Freimaurer in gerader Linie von den Steinmetzbruderschaften abstammten oder gar, wenig schmeichelhaft, von den Templern. Die moderne Freimaurerei war, das belegen auch andere zeitgemäße Publikationen, eine gesellschaftliche Entwicklung ihrer Zeit und ein Politikum; es ging um Netzwerke, Bildung, geistigen Brückenbau, wobei klug die Strukturen der alten Logen und ihre verbindende Methodik genutzt wurde.

Die Bruderschaft fing die Stimmung der Zeit ein. Die Myriaden von Clubs, die von der Regierung unbehelligt agierten, zeigten, dass Großbritannien eine liberalere Gesellschaft war als vieles andere in Kontinentaleuropa.

Nach Ihrer Gründung trat die Freimaurerei in atemberaubender Geschwindigkeit ihren Siegszug um die Welt an. Der Autor nimmt den Leser rund um den Globus mit auf die Reise zu den Wurzeln der dortigen Freimaurereien, insbesondere zur historischen Grundlage und dem gesellschaftlichen Umfeld, dass die Bruderschaften in den entsprechenden Ländern bei allen grundlegenden Werten so unterschiedliche Wege gehen lassen musste. Dickie anerkennt die Leistungen der Freimaurerei in den beschriebenen Ländern wie England, Frankreich, Italien, den Vereinigten Staaten, Indien, Deutschland, Spanien. Als neutraler Beobachter spart er jedoch die Schattenseiten nicht aus: den latenten oder deutlichen Rassismus, Bruderkriege, den Kampf mit den Religionsgemeinschaften und letztendlich die Ausnutzung der Schwächen eines Bruderbundes, unter anderem durch ihre verschiedenen Spielarten und Hochgrade, die Dickie zum Teil scharf kritisiert, bis hin zur Unterwanderung durch Korruption und Verbrechen.

Beim Aufbau einer Karriere innerhalb der Freimaurerei sollte es eigentlich darum gehen, sich einen guten Ruf zu erarbeiten, indem man dem Leben der Loge selbstlos Zeit und Mühe widmet, von Männern lernt, die man respektiert, um wiederum von jüngeren Freimaurern respektiert zu werden. Die Karriere in der P2 [eine mafiöse italienische Loge, Anm. der Redaktion] dagegen bedeutete, sich einen Ruf als zuverlässiger Lieferant von Gefälligkeiten und heiklen Informationen aufzubauen.

Besonders deutlich wird dies in der Beschreibung der italienischen Freimaurerei, die vor allen Dingen durch den Skandal um die frühere Loge und spätere logenähnliche Vereinigung “Propaganda Due”, besser bekannt unter ihrem Kürzel “P2”, traurige Berühmheit erlangte. Hier läuft Dickie als ausgewiesener Kenner der Mafia und der Freimaurerei zur Hochform auf. Den Feinden der Freimaurerei sei gesagt, dass Dickie sehr genau belegen kann, dass die P2 in der bekannten Form keine Freimaurerloge ist, den Freunden des Bundes sei wiederum gesagt, dass die Freimaurerei in der Entstehung und Nichtverhinderung dieser verbrecherischen Organisation keine rühmliche Rolle hatte. Es ist kompliziert, Dickie kann die Knoten entwirren.

Genau dafür ist das Buch lesenswert. Dickie arbeitet Geschichte und Zusammenhänge mit der Genauigkeit eines Historikers auf und weiß dies dabei doch spannend und interessant zu vermitteln. Zwar spürt man Sympathie für die Gedanken der Freimaurerei und auch für den Existenz der Logen mit all ihren Reizen und Widersprüchen, das geht aber nicht so weit, dass er die Schattenseite verklären würde.

Es ist mir daran gelegen, die Freimaurerei in verschiedenen Teilen der Welt an ihren aufklärerischen Werten der Anfangszeit zu messen. Dabei möchte ich einige der irrigen Vorstellungen aufgreifen, die sich "Profane" von der Freimaurerei machen, und auch die Art und Weise einer kritischen Prüfung unterziehen, wie Freimaurer ihre kollektive Vergangenheit gern darstellen. [...] Die masonische Mischung aus ritueller, moralischer Unterweisung und männlicher Zusammenhalt kann noch immer Würde vermitteln und einen Plan zur Selbstveredelung, der nicht nur das Ego stärkt. Nur ein eingefleischter Zyniker würde sich über den Anspruch der Freimaurer lustig machen, aus "guten Männern bessere" machen zu wollen.

John Dickie, “Die Freimaurer — Der mächtigste Geheimbund der Welt”, S. Fischer Verlag, ISBN 978-3103973358, 560 Seiten, gebundene Ausgabe 26,00 €, auch als E-Book für 22,99 € erhältlich

Leserbriefe

Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wenn Sie einen Leserbrief schreiben wollen, verwenden Sie das Formular “Kontakt zur Redaktion”. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Wie behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.